June 2, 2010

Anatomie eines ZDF-Showtribunals pt 2


Das Korrektiv des Glaubens
pt 1) Der Raum für die Religion

@ 40 min)
W. Huber: "Es ist wahr, ich habe dieses College besucht. Keiner der Professoren für Geologie oder Biologie in diesem College, Wheaton College bei Chicago, lehrt den Kreationismus. Andere tun es, es ist ein schreckliches Missverständnis: Man macht die biblische Schöpfungslehre zu einer pseudowissenschaftlichen Ideologie. Man verkehrt sie wirklich in das Gegenteil. Aber man darf diese Verzerrung – unabhängig von Prozentzahlen – nun nicht zur authentischen Interpretation der biblischen Schöpfungserzählung machen. Das kann doch nicht angehen! Und man darf doch einen Atheismus nicht damit begründen wollen, dass man eine so schreckliche Verkehrung des biblischen Schöpfungsglaubens für normativ voraussetzt. Ich kann das intellektuell und wissenschaftlich nicht verstehen."

@ 43 min)
H. Jaschke: "Es gibt viele Formen von Glauben. Ein Nationalsozialist war kein religiöser Mensch im christlichen Sinne, aber er hat geglaubt, und er hat im Namen seines Glaubens schrecklichstes Unrecht getan. Kommunisten genauso. Es gibt den Glauben der Menschen, die nur auf Vernunft setzen. In Deutschland haben wir mit Habermas vor einiger Zeit diskutieren können, und er hat gesagt, die reine Vernunft ohne Glauben, ohne das Korrektiv des Glaubens, sie kann Irrwege einschlagen. Wir müssen also natürlich immer auch den wirklichen Glauben neu entdecken, und der Glaube muss gereinigt werden von Verirrungen. Wenn Glaube gewalttätig wird – welcher Glaube auch immer, ob ein Naziglaube oder ein kommunistischer Glaube – das ist unerträglich. Und wenn im Namen der Religion, im Namen Gottes, des Höchsten, des Reinsten, des Heiligsten, Schrecklichkeiten vertreten werden, wird jeder Verantwortliche das in aller Klarheit zurückweisen. Nur glauben Sie nicht, wenn Sie die Religion abschaffen, dann verschwinden die Schrecken auf der Welt. Dann kommt der Teufel hintenrum wieder rein. Wir haben die Beispiele zuhauf in der Geschichte."
J. Kerner: "Herr Geißler, hat Religion mehr Respekt verdient als z.B. die politische Überzeugung eines Menschen?"
H. Geißler: [...] "Ich glaube, dass eine Politik, die keine ethische Grundlage hat, die also nicht wertgebunden ist – man kann auch sagen: eine gottfreie Politik (die der Nationalsozialisten wie auch der Marxisten – das ist eine interessante Frage) – letztendlich eben in die Irre geht, weil die Politik zumindest zwei Grundlagen haben muss. Das ist zum einen die absolute Anerkennung der menschlichen Würde und zum andern die daraus resultierenden Menschenrechte. Dieses Menschenbild finden Sie im Evangelium, es kommt vom Evangelium. Jesus hat eben diese Grenzen gesprengt [...] eine ganz wichtige Neuerung gegenüber dem Altertum gebracht: die Unbedingtheit der Anerkennung der menschlichen Würde. Die universale Geltung der Menschenrechte – das ist der Kant'sche Gottesbeweis: Gott ist ein Postulat der praktischen Vernunft. Die universale Geltung der Menschenrechte können Sie eigentlich praktisch nur in Gott verankern, weil sonst jederzeit eine Philosophie, eine Ideologie, eine politische Partei, sogar eine Mehrheit im Parlament daherkommen kann, die die Menschenwürde und die Menschenrechte wieder außer Gefecht setzt. D.h., Sie müssen diese absolute Geltung der Menschenrechte, die müssen Sie sozusagen ableiten aus einer vorgegebenen Instanz."

@ 48 min)
J. Kerner: "Glauben Sie, Prof. Dawkins, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es keine Religion gäbe?"
R. Dawkins: "Ja, das glaube ich. Aber diesen Punkt möchte ich hier nicht überbetonen. Was ich aber sagen möchte, ist, dass die universelle Anerkennung der Menschenrechte eben etwas Universelles ist – auch aus der Bibel könnte man dies herauslesen. Aber das ist eine heutige, moderne Vorstellung, die wir respektieren, ob wir religiös sind oder nicht. Z.B. kommt dies teilweise auch aus der amerikanischen Revolution, von den Gründervätern Amerikas, d.h. eine völlig säkulare Tradition."
W. Huber: "Das ist nicht richtig. Es ist historisch falsch, und auch ein Naturwissenschaftler muss gebeten werden können, historische Entwicklungen in ihrem komplexen Charakter zu würdigen. Man kann nicht bestreiten, dass für die Entwicklung des modernen Menschenrechtsverständnisses der christliche Glaube mitsamt der reformatorischen Wiederentdeckung der Gewissensfreiheit und der Würde der einzelnen Person eine Schlüsselbedeutung hat. Man darf nicht erst in der amerikanischen Aufklärung anfangen. Man darf insbesondere bei den Gründungsvätern der USA nicht nur die Glaubenskritiker nehmen und diejenigen, die aus Glauben diese Meinung vertreten haben, beiseite lassen. Und dann nur Jefferson für die ganze USA nehmen – das geht nicht."

@ 51 min)
W. Huber: "Das Buch Exodus ist der Bericht über die Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten. [...] Die zehn Gebote im Buch Exodus beginnen nicht etwa mit einer Aufforderung, schon gar nicht einer knechtenden, sondern mit der Zusage, ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägypten, aus dem Sklavenhaus befreit habe. Das ist der Grundton gerade dieses Buches. Wenn man das einfach zudeckt und dann durch herausgelesene Einzelzitate – und die Kritik von H. Geißler kann ich mir an wichtigen Stellen zueigen machen – sagt, was da über die Befreiungsgeschichte für das Volk Israel steht, ist irrelevant, und ich konzentriere mich auf die Konfliktgeschichte, wo Gott in einer Weise in Konflikte und auch in die Anwendung von Gewalt hineingezogen wird, die wir schlechterdings nicht akzeptieren können, dann verdreht man die Dinge. Nicht dass ich bestreiten würde, dass es zwischen dem Buch Levitikus und dem Buch Deuteronomium und dann erst recht im Buch der Richter oder im 1. Königsbuch mit dem Propheten Elia Dinge gibt, die wir in der Tat mit dem Gott, den wir im Angesicht Jesu Christi kennen lernen, nicht mehr gleichsetzen können, das ist richtig. Aber den Grundzug ... und das ist deswegen so verletzend, weil wir ja eine Geschichte der Judenfeindschaft in Europa haben, die ja auch gerade diese Befreiungsgeschichte für das Volk Israel gemeint hat leugnen zu können. Wir haben jetzt die Aufgabe, eine Theologie nach Auschwitz zu machen, und diesen Horizont muss jeder sehen, der heute über das Alte Testament redet. [...] Das ist Anti-Judaismus, was da in dieser Art, den Gott des Alten Testaments zu beschreiben, mitklingt. Das ist bestimmt nicht Ihre Intention ..."

R. Dawkins: "Ich habe gesagt, dass wir unsere moralischen Werte nicht aus der Bibel bekommen, denn wenn unsere moralischen Werte aus der Bibel kämen, dann würden wir diese schrecklichen Dinge aus den Büchern Levitikus und Deuteronomium machen. Natürlich machen wir das nicht mehr. Die modernen Theologen lehnen all dies ab – das weiß ich, aber ich habe gesagt, wir brauchen Kriterien um zu entscheiden, welche Teile der Bibel wir ablehnen und welche Teile wir akzeptieren. Und die Kriterien, die wir dazu verwenden, sind moderne Kriterien, heutige Kriterien, auf der Grundlage unserer heutigen Moral. Wir steinigen die Menschen nicht mehr, weil sie gegen den Sabbat verstoßen haben – natürlich nicht. Ich sage nur, dass wir unsere moralischen Werte nicht aus der Bibel bekommen. Wir wählen gewisse Teile der Bibel aus. An manche Teile glauben wir, an manche nicht. Und wenn man das macht, dann sollte man einfach die Entscheidung für sich selbst treffen und nicht unbedingt alles der Bibel entnehmen. Einfach die Bibel weglassen. Natürlich als Literaturwerk, als Geschichtswerk ja, aber die eigenen moralischen Werte sollten auf anderen Kriterien aufgebaut werden. Als moderne Menschen haben wir die alle."

H. Jaschke: "Das sind doch keine wissenschaftlichen Argumente. Unsere Moral – das ist meine feste Meinung – kommt von Gott. Ohne Gott ist alles erlaubt, hat Dostojewski einmal gesagt. Menschen können das in ihrem eigenen Herzen entdecken ... überall auf der Welt."
R. Dawkins: "Das ist – ehrlich gesagt – eine Beleidigung, dass alles verschwinden würde ohne Gott. Würde ich denn, wenn es jetzt keinen Gott gäbe, Menschen umbringen oder vergewaltigen? Wir alle haben die gleichen moralischen Werte, ob wir an Gott glauben oder nicht. Wir sind moderne Menschen, wir tun deswegen auch gute Dinge."
H. Jaschke: "Ich habe gerade versucht, von der Übereinstimmung in der Moral auf Gott hin zu fragen. Der letzte Grund sozusagen, dass Menschen im Guten bleiben und das Gute immer neu entdecken, ist Gott. Ohne Gott ist es sehr schwer, Menschenwürde und wirkliche moralische Werte fest zu begründen und festzuhalten. Menschen können Gott missbrauchen, können im Namen Gottes Schreckliches tun – das wissen wir alle, aber ohne Gott geraten Sie ganz auf Fehlwege."

@ 56 min)
H. Geißler: "Es gibt Atheisten, die sittlich genauso hoch stehen wie Christen oder gläubige Muslime, vielleicht sogar höher stehen – das will ich überhaupt nicht bestreiten. Das Problem ist, dass es nicht darum geht, dass einzelne Menschen diese moralische Qualität haben, sondern diese Menschenwürde, von der ich geredet habe, und die Verpflichtung zur Solidarität muss für alle gelten und muss immer gelten – das ist das Problem. Ich glaube, das ist der Unterschied: dieser Universalitätsanspruch, diese Unbedingtheit des Anspruchs der Achtung der Würde des Menschen ist eben doch durch das Christentum, durch das Evangelium – nicht durch das Alte Testament – in die Welt gekommen und gilt infolgedessen eben auch überall auf der Welt [...] Diese Werte wollen wir in der ganzen Welt realisieren. Nicht mit Gewalt - das ist der große Fehler des amerikanischen Präsidenten, dass er sich für den Irak-Krieg auf Gott beruft – das ist völlig indiskutabel und diskreditiert eigentlich das, was wir hier sagen."

@ 58 min)
J. Kerner: "Mr. Dawkins, Sie sind dem Vorwurf ausgesetzt, dass Sie versuchen, mit naturwissenschaftlichen Mitteln etwas zu beweisen, was mit diesen Methoden ganz offensichtlich nicht bewiesen werden kann. Warum ist Ihnen dieser Beweis bzw. der Gegenbeweis, also die Nichtexistenz Gottes, warum ist Ihnen das so wichtig? Könnten Sie nicht auch ganz gut leben ohne diese Erkenntnis?"
R. Dawkins: "Nun, wir sprachen gerade von moralischen Werten, und die haben natürlich mit Wissenschaft nichts zu tun. Sie kommen jetzt wieder auf die wissenschaftlichen Werte zurück. Ich halte die Frage, ob es irgendwo ganz unten im Universum einen Gott gibt, für eine der wichtigsten wissenschaftlichen Fragen überhaupt. Ein Universum mit einem Gott, ein Universum, das von einem Schöpfer geschaffen wurde, wäre, wissenschaftlich gesehen, ein ganz anderes Universum als ein Universum ohne Gott. Ich kann mir gar keine wichtigere wissenschaftliche Fragestellung vorstellen. Wie könnte sich ein Wissenschaftler nicht hierfür interessieren, für die Frage, gibt es in der Tat einen Gott? Eine faszinierende wissenschaftliche Frage – ganz klar. Und ich glaube, man kann diese These nicht bestreiten oder als falsch beweisen, aber ich glaube, dass es aufgrund der Beweise sehr unwahrscheinlich ist, dass es einen Gott gibt. Mann kann's nicht zu 100 % widerlegen, aber ich glaube, es ist sehr unwahrscheinlich."

J. Kerner: "Zum Schluss Bischof Jaschke: Man sagt so dahin, Glaube versetzt Berge – haben Sie das schon mal gespürt?"
H. Jaschke: "Wenn ich einem Menschen wirklich glaube, ihm Vertrauen schenke, dann kann er sich verwandeln, dann entdecke ich ihn ganz neu. Also im rein zwischenmenschlichen Leben. Glaube kann natürlich nichts Unvernünftiges machen. Ich kann nicht etwas glauben, von dem ich weiß, es ist total verkehrt. Aber Glaube ist eine Grundrealität des Menschen. Ohne Glaube wird der Mensch arm, und eine Welt ohne Gott ist für mich eine recht blinde Welt. Man kann natürlich sagen, ich will nicht an Gott glauben – Sie haben das Recht. Aber zu sagen, die Welt, wie sie ist und wie ich sie als Naturwissenschaftler wahrnehmen kann, zeigt, dass es keinen Gott geben kann – das ist eine Behauptung, die ich nicht stehen lassen kann. Die Welt mit Gott ergibt als ganze einen Sinn, und der Mensch mit Gott weiß, ich bin nicht ein Produkt des Zufalls, sondern eine Persönlichkeit, ein lieber, liebenswürdiger Mensch."

@ 61 min)
J. Kerner: "Prof. Dawkins, zum Schluss unserer Runde zwei Fragen. Erstens: Was, glauben Sie, passiert nach Ihrem Tod mit Ihnen?
R. Dawkins: "Nun, offensichtlich werde ich unter die Erde kommen und dort verfaulen.
Natürlich kann man sagen, mit Religion hat man Sinn, einen Zweck im Leben, man fühlt sich wohl ... und übrigens: Wir sind kein Produkt des Zufalls, wir sind ein Produkt der natürlichen Auslese – was ganz anderes! Und selbst wenn die nichtreligiöse Sicht auf die Welt nicht zufriedenstellend wäre, wenn sie leer und trostlos wäre, wäre dies nicht unbedingt falsch. Das Universum schuldet Ihnen keinen Trost oder keinen Komfort, kein Wohlergehen. [...] Selbst wenn wir ein Zufallsprodukt wären, und selbst wenn wir uns dann sehr klein und sehr traurig fühlen würden – es ist einfach so."

J. Kerner: "Sie haben gesagt, Sie werden, wenn Sie nicht mehr sind, unter der Erde sein und verrotten, wenn ich das richtig verstanden habe?"
R. Dawkins: "Absolut. Das hab ich gesagt."
J. Kerner: "Schöner Gedanke?"
R. Dawkins: "Natürlich ist das kein schöner Gedanke, dennoch ist es so. D.h. nicht, dass es nicht stimmt. Die Wahrheit ist nicht immer schön."
J. Kerner: "Wär's schöner den Glauben zu haben an etwas anderes? Vielleicht ist da ja noch was?"
R. Dawkins: "Natürlich wäre es schön, aber es wird deswegen nicht unbedingt wahr."
J. Kerner: "Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass nach Ihrem Tod doch so was vor Ihnen steht wie der liebe Gott, und Sie beim Jüngsten Gericht sind, haben Sie einen Notfallplan?"
R. Dawkins: "Erstens ist dies vielleicht nicht unbedingt der Gott, den die Bischöfe hier vor sich sehen. Vielleicht wäre es Zeus oder Wotan oder was weiß ich, der mich da empfängt. Aber wenn Sie mich fragen, was ich sagen würde: Ich würde Bertrand Russell zitieren, der gesagt hat, nicht genug Beweise, Sir, nicht genug Beweise."
Jaschke/Kerner: "Und der liebe Gott würde möglicherweise lachen."

Anatomie eines ZDF-Showtribunals pt 1


Der Raum für die Religion
pt 2) Das Korrektiv des Glaubens

"Atheisten verbrennt man nicht mehr. Man schickt sie zu Kerner."
Aus Alan Poseners "Gottesmänner gegen Gotteswahn":

"Um es vorwegzunehmen: Dawkins machte keine glückliche Figur. Er ist ja als Oxford-Gelehrter die britische Debattenkultur gewöhnt, wo es zwischen zwei Diskutanten munter und gut gelaunt hin- und hergeht. Hier sah er sich einem Tribunal gegenüber. Außerdem war er behindert durch eine holperige deutsche Übersetzung. Und schließlich ist sein Buch vor allem geschrieben für den amerikanischen Markt, wo Glaube noch Glaube ist und das Wort der Bibel Gewicht hat. Mit weichgespülten westeuropäischen Theologen, die in schöner Einmütigkeit erklären, die Hölle habe für sie 'keine große Bedeutung', ihre Existenz werde von der Kirche 'eigentlich nicht' gelehrt (Jaschke), die 'Kritik der Höllenvorstellung' sei eine der Stärken der modernen Theologie (Huber) und überhaupt sei 'die Existenz der Hölle unvereinbar mit der Existenz eines gütigen Gottes' (Geißler) hatte Dawkins sichtlich seine Schwierigkeiten."

11/15'07 Eine Frage des Glaubens

@ 15 min)
Wolfgang Huber: "Als ich von dem Buch gehört habe, hab ich gedacht, es gibt in der Tat eine Wechselwirkung zwischen fundamentalistischen Strömungen, die sich in den Religionen gegenwärtig ausbreiten, und einem ganz symmetrischen Fundamentalismus eines aggressiven Atheismus, und das hat sich bei der Lektüre des Buches weit mehr bestätigt, als ich je erwartet hätte. Das Buch ist sehr fundamentalistisch: es macht den Atheismus zum Glaubensgegenstand. Es vertritt ihn mit einem Absolutheitsanspruch, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe, und es wertet alle anderen Haltungen in einer Weise ab, die ich menschlich sehr problematisch finde. Und ich glaube fest, wenn ein Atheismus so aggressiv auftritt, dann hat das zum Hintergrund, das auch atheistische Haltungen, die unter Intellektuellen lange selbstverständlich waren, diese Selbstverständlichkeit verloren haben. Deswegen meine Bitte: Tretet in einen offenen Dialog ein, lasst Fundamentalismus sowohl auf der Seite der Religionen als auch auf der Seite des Atheismus hinter euch, dann erst wird ein Gespräch fruchtbar."

@ 20 min)
Hans-Jochen Jaschke: "Der Glaube an Gott ist erstmal natürlich eine Frage des eigenen Herzens: Ich frage, warum lebe ich, warum gibt es diese Welt, warum versage ich, warum bin ich glücklich, was umgibt mich, warum empfinde ich etwas als schön, warum leide ich ... das sind Menschheitsfragen seit Beginn. Auf diese Frage nach dem Warum versucht der Glaube zu antworten, und wir haben eine ganz positive Antwort im Glauben, wie er sich in der Bibel darstellt. Die Bibel ist kein Buch, das vom Himmel gefallen ist. Ein Buch voller Glaubenserfahrungen, natürlich aus tausend Jahren, und sie sind auch gemischt. Da gibt es manches, was nicht in unsere Zeit passt und was aus damaligen Verständnissen heraus sehr zeitbedingt ist. Aber wenn wir das Ganze der Bibel nehmen, dann begegnet uns ein sehr menschenfreundliches Bild von Gott: der barmherzige Gott, der Gott, der immer größer ist als alles, was Menschen anrichten. Und wenn wir in die Gestalt Jesu schauen, dann sehen wir einen Gott, der mitleidet, der ans Kreuz geht und der sich mit den geringsten Menschen eins macht – das ist für mich die starke Motivation von Gott zu sprechen. Die Naturwissenschaft kann natürlich sagen, wie die Welt entstanden ist, sie versucht es – wunderbar. Aber ich frage: Warum gibt es denn diese Welt, warum? Ich kann mir diese Welt – auch im Gespräch mit Naturwissenschaftlern – nur erklären, wenn ich einen Grund habe für das, was uns umgibt, nicht irgendwelche Lücken im System der Welt, sondern einen tragenden Grund für das Ganze." [...]

Johannes Kerner: "Bischof Huber, was sind aus Ihrer Sicht die guten Gründe an Gott zu glauben?"
W. Huber: "Also versuchen würde ich natürlich daran zu appellieren, dass jeder von uns irgendwo die Erfahrung hat, dass er sein Leben eben nicht selber geschaffen hat, sondern dankbar als eine Gabe annimmt, mit der er verantwortlich umgehen soll. Jeder von uns hat ein Gefühl dafür, dass das eigene Leben, die eigene Person, aber auch die Person des Nächsten eine Würde und eine Bedeutung hat, ein Gewicht hat, das über die eigene Leistungsfähigkeit hinausgeht. Jeder von uns hat ein Gefühl dafür, dass wir eine Kraft brauchen, mit deren Hilfe wir neu anfangen können, wenn wir gescheitert sind. Dieses Gefühl der Dankbarkeit und der Zuversicht – das sind die beiden Grundelemente, aus denen der christliche Glaube besteht, wie er uns in der Person Jesu Christi begegnet, in dem Gottes menschliches Angesicht uns entgegen tritt. Das ist das Bild Gottes, das sie – jedenfalls wenn sie nach Deutschland kommen – im christlichen Glauben vorfinden, und das hat nichts zu tun mit dem Zerrbild von Religion, das uns aus diesem Buch entgegen tritt. Dieses Zerrbild hat darin seine Bedeutung, dass es uns aufmerksam macht auf mögliche Fehlentwicklungen innerhalb des Glaubens und der Religion. Deswegen ist es nützlich, dieses Buch zu lesen. Aber nicht weil es eine Auseinandersetzung mit der authentischen Form des christlichen Glaubens ist."

J. Kerner: "Prof. Dawkins, was ist Ihr Sinn des Lebens?"
Richard Dawkins [ZDF untertitelt: "wird der 'Papst der Neuen Atheisten' genannt"]: [...] "Es gibt keine Fragen nach dem Warum. Das sind bedeutungslose Fragen."
H. Jaschke: "Wie wollen Sie uns diese Fragen verbieten? Das sind die Menschheitsfragen: Warum lebe ich, warum liebe ich, warum leide ich, warum gibt es überhaupt etwas? Wenn Sie sagen, wir picken uns etwas heraus aus der Bibel – das stimmt natürlich wissenschaftlich gesehen absolut nicht. Wir lesen die Bibel mit sehr viel Verstand, wir nehmen die Bibel als ganze, und der Schlüssel zur Bibel – das ist für Christen eindeutig – ist Jesus Christus, nicht irgendein willkürliches Prinzip, das wir anlegen, weil wir sagen, nagut, was uns nicht so gefällt, das wollen wir nicht haben."
J. Kerner: "Nochmal Heiner Geißler, der gesagt hat, wir müssen erstmal die ganze Geschichte entpersonalisieren. Gehen wir mal weg von der Figur, die man an die Wand malen und sich eine Vorstellung von Gott machen kann, und nehmen wir nur das Gefühl des Glaubens, also die Idee des Glaubens. Würden Sie mir zustimmen, dass es Dinge gibt, die man fühlen kann, ohne zu wissen, ob es sie wirklich gibt? Oder wie würden Sie mir z.B. Liebe erklären, Prof Dawkins?" [...]

W. Huber: "Es gibt viele Situationen – sogar im menschlichen Leben – in denen die Liebe sich nicht von selbst versteht, und wenn man die Liebe nur auf dasjenige Gefühl reduziert, das ich leicht aus meinen eigenen Vorstellungen heraus erbringen kann, die Liebe, die dann sofort zerbricht, wenn mir im Anderen mal ein Widerstand entgegen tritt, also Liebe als Lebensabschnittsgefühl, dann hat man natürlich überhaupt keinen Bezug zu demjenigen Verständnis von Liebe, dass uns in der Bibel und insbesondere im Neuen Testament entgegen tritt. Und sehr charakteristisch ist auch, wenn ich das sagen darf, dass Sie in Ihrem Buch den entscheidenden Punkt verfehlt haben, wie Jesus die Liebe sieht. Sie behaupten von Jesus, er habe nur ein Familienethos gepflegt, er kenne nur die Liebe im Nahbereich. Sie haben vollkommen übergangen, dass Jesus das Gebot der Liebe zuspitzt zum Gebot der Feindesliebe. D.h., Grenzen zu überschreiten, Liebe dort zu praktizieren, wo der Nächste Barmherzigkeit braucht, wo sie sich nicht von selber versteht – das ist das biblische Verständnis von Liebe, das ist eingedrungen in unsere Kultur, und wenn man Ihnen folgen würde, dann würde man diese ganzen entscheidenden Wurzeln unserer Kultur abschneiden und eine kalte Welt zurücklassen."
[...]
R. Dawkins: "Nonsense, nonsense, nonsense."

@ 28 min)
Kerner mit Buchzitat: "'Kindesmisshandlung' [ist] keine Übertreibung für das, was Lehrer und Priester einem Kind antun, wenn sie es beispielsweise in dem Glauben erziehen, ungebeichtete Todsünden würden mit dem ewigen Höllenfeuer bestraft."
Dann von Jesuitenzögling zu Jesuitenzögling: "Herr Geißler, Sie sind sehr katholisch erzogen, haben Ihr Abitur auf einem Jesuitenkolleg gemacht, und ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie sich 'misshandelt' fühlen durch diese Erziehung?"

Heiner Geißler: "Also einen solchen Unsinn hab ich in meiner Schule nicht gehört, auch nicht von den Priestern, obwohl die Frage der Sünde natürlich schon eine große Rolle gespielt hat, vielleicht eine zu große Rolle. Ich meine, in Ihrem Buch sprechen Sie ja auch diesen Sündenwahn an, aber ich würde sagen, das ist nicht das Evangelium. Wir müssen, glaube ich, sowieso ein bisschen unterscheiden zwischen dem Evangelium und was dann vielleicht durch die Theologie manche Kirchenväter daraus gemacht haben. Wir sind uns einig, was von Augustinus bis zu Thomas von Aquin über die Frauen gesagt worden ist, das kann man vergessen, das ist sogar schädlich gewesen. Wir müssen wieder auf den Kern kommen.
Und was ich Ihnen gerne gesagt hätte, weil Sie sehr viel mit der Vernunft arbeiten, mit dem Verstand ... aber es ist doch klar, dass es Dinge gibt, an die der Verstand nicht heranreicht. Nehmen wir z.B. mal die Liebe: Ob ich geliebt werde oder nicht geliebt werde, das ist ja für mein Leben von existentieller Bedeutung und viel wichtiger als der Satz des Pythagoras. Da hat mal einer gesagt, für die ganze Welt bist du irgend jemand, aber für irgend jemand bist du die ganze Welt. Und das dies in unserem Leben zutrifft, ist für uns viel wichtiger als alle mathematischen oder physikalischen Erkenntnisse, die wir haben. Und da es eben einen Raum gibt auch in den Herzen und in den Köpfen der Menschen, die Sie rein vernunftmäßig nicht erklären können, ergibt sich der Raum für die Religion. Denn wer soll diesen Raum sonst ausfüllen? Also das, glaube ich, ist zunächst mal der erste Schritt. Und der Sinn des Lebens – wenn man diese Frage stellt – ist natürlich von ganz entscheidender Bedeutung.
Ob ich an Gott glaube, das ist eine höchst personelle Entscheidung, die ich selber treffen muss. Kant sagt, man kann Gott nicht mit der reinen Vernunft beweisen. Das ist auch meine Meinung. Insofern nimmt er in dem Buch diese Gottesbeweise von Anselm von Canterbury bis hin zu sonst jemanden völlig zurecht auseinander. Darauf kann man keinen Glauben aufbauen – das ist völlig richtig, was Sie da geschrieben haben, aber man muss den Weg weitergehen. Der große Theologe () hat mal gesagt, wir stehen vor einem großen Fluss, und wir sind am diesseitigen Ufer – das ist die Vernunft, das, was wir mit dem Verstand erfassen können. Am andern Ufer, am jenseitigen Ufer beginnt der Glaube, und da muss ich über den Fluss hinüber. Ob ich hinüber gehe oder nicht, ist meine Entscheidung. Ich muss hinüber schwimmen oder hinüber fliegen, und dann eröffnet sich für mich das Reich des Glaubens. Andere sind dazu nicht in der Lage."

R. Dawkins [ZDF untertitelt: "Eine katholische Erziehung ist eine Art Kindesmisshandlung"]: "Die Sache mit dem Fluss und dem Übertreten des Flusses ist nur ein Rezept für intellektuelle Anarchie. Sie sagen, was ich fühle, das fühle ich, und dafür muss ich mich nicht verantworten. Wenn ich denke, es gibt einen Gott, dann gibt es ihn eben, und wenn ich denke, da steht ein pinkfarbenes Einhorn im Studio, dann steht dieses Tier tatsächlich da. So kann man aber nicht argumentieren. Wenn man an etwas glaubt, wenn man einen Sinn findet, dann muss man auch einen Grund dafür angeben. Natürlich kann jeder sagen, ich glaube an alles mögliche: ich glaube an die Zauberfeen, oder ich glaube an das Einhorn, aber man kann nicht von anderen verlangen, das sie das ernstnehmen. Das ist intellektuelle Anarchie."

@ 34 min)
H. Jaschke: "Mit Entschiedenheit muss ich das Wort vom geistigen Missbrauch zurückweisen. Es gibt immer Fehlentwicklungen, in jeder Erziehung, auch in der modernsten Pädagogik, aber wenn ein Kind religiös erzogen wird, wird es nicht missbraucht. Dem Kind wird Vertrauen beigebracht, das Kind darf sich bejaht wissen durch den lieben Gott. Natürlich darf das Kind auch um seine Fehler wissen ... es gab Zeiten, da hat man das mit der Sündenangst übertrieben, aber das waren nicht nur die Christen. Die Hölle hat seit etwa 50 Jahren keine große Bedeutung mehr für die christliche Kirche. Eigentlich lehren wir die Hölle nicht. Eigentlich nicht – ich muss das so vorsichtig sagen."
H. Geißler: "Also ich finde, man muss auch Dinge über Bord werfen: die Sache mit der Hölle. Der größte Theologe drei, vier Jahrhunderte nach Christus, Origines, ist nie heilig gesprochen worden, ist aber der größte Geist gewesen, und der hat völlig zurecht gesagt, die Hölle ist mit der Existenz eines gütigen, barmherzigen Gottes nicht vereinbar. [...]"

W. Huber: "In der Tat ist die Kritik der Höllenvorstellung eine der stärkeren Züge in der christlichen Theologie und die Wiederholung einer im Übrigen heidnischen Vorstellung von der Hölle eine ihrer schwächeren. Man darf auch die Aussage, das wir uns alle vor Gott zu verantworten haben, nicht dadurch eindringlich machen, dass man den Leuten androht, sie kämen in die Hölle. Ein ganz kluger katholischer Theologe, der mit diesem "eigentlich" umzugehen verstand, hat gesagt, wir Katholiken glauben an die Hölle, aber niemand nötigt uns zu glauben, das jemand drin ist – das ist ein Weg, und man kann das ein bisschen weiterführen. Mir liegt daran, dass das nicht bedeutet, dass das auch klar ist, dass wir jetzt sozusagen eine Lehre vom niedlichen Gott vertreten und uns sozusagen Gott so anpassen, wie wir ihn gerade brauchen. Aber Glauben als Drohmittel zur Ausübung in Wahrheit weltlicher, irdischer Herrschaft zu verwenden – damit muss Schluss sein. Genauso aber muss Schluss damit sein, sehr geehrter Herr Dawkins, dass Zerrbilder des Glaubens als das wirkliche Bild genommen werden, und dann, wenn man Sie danach fragt, sagen Sie – das kann man auch in Ihrem Buch lesen – das normale Bild des christlichen Glaubens ist ja langweilig, damit halte ich mich nicht auf. Ich habe die herzliche Bitte an Sie, sich stärker mit den Gestalten des christlichen Glaubens zu beschäftigen, wie sie beispielsweise in Europa gelebt werden und Ihnen auch zugänglich sind. Und da kann man wirklich nicht sagen, dass Kinder weder in der katholischen, noch in der evangelischen Kirche durch solche Zerrbilder misshandelt wurden."